Von Margarete Marie
Kaum ein Bereich der Spirituosenindustrie hat sich in den letzten Jahren so rasant verändert wie der Whisky-Bereich. Und in kaum einem anderen Bereich haben Frauen so schnell so viel an Boden dazu gewonnen. Mehr als 30 Prozent der Scotch-Käufer sind heute Frauen. Und auch auf Whisky-Messen kann man zunehmend interessierte Frauen antreffen. Doch das Verhältnis von Frauen und Whisky war nicht immer so fröhlich und entspannt. Es gab Phasen, in denen das Verhältnis von tiefen Rissen und Brüchen geprägt war. Ein Streifzug durch die Jahrhunderte von Margarete Marie.
Kein Zweifel, Frauen haben die letzten Jahre neues Terrain dazu gewonnen, wenn es um Whisky geht. Ganz besonders deutlich zeigt sich diese Veränderung, wenn man einen Blick auf die Arbeitsplätze in der Whisky-Industrie wirft. Gut die Hälfte der Whisky-Blender bei Diageo sind inzwischen Frauen, und die schottische Firma Compass Box hat im vergangenen Jahr damit kokettiert, dass 53,5% ihrer Belegschaft weiblich sind. Natürlich freuen mich solche Zahlen, zeigen sie doch deutlich, dass wir Frauen sehr wohl ein gutes Näschen und Händchen für Whisky haben. Doch es wirft auch Fragen auf. Was hat Frauen denn in der Vergangenheit vom Whisky ferngehalten? War das etwa immer schon so? Oder gab es auch hier Zeiten des Auf und Ab, des Kommen und Gehens?
Dass Frauen durchaus etwas von der Destillierkunst verstehen, haben sie auch in früheren Jahrhunderten bewiesen. Schon im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. gelangten in Alexandria Frauen wie „Maria die Jüdin“ oder „Cleopatra die Alchemistin“ mit ihrer Destillierkunst zu großem Ruhm. Beide Frauen werden heute mit der Erfindung der alembischen Brennblase und dem Tribikos in Verbindung gebracht. Als im 11. Jahrhundert die Kunst des Destillierens nach Mitteleuropa kam, entdeckte man rasch die heilsame Wirkung von Hochprozentigem und gab ihm den vielsagenden Namen „aqua vitae“ – „Wasser des Lebens“. Zunächst waren es nur wenige Ärzte und Alchemisten, die sich intensiv mit der Destillation befassten, doch schon bald entdeckten auch die Frauen die heilsamen Vorteile von Alkohol. Eine der bekanntesten Brennerinnen in Deutschland war Dorothea zu Solms-Lich, die spätere Gräfin Mansfeld, die auf dem Gelände ihres Schlosses einen Kräutergarten anlegte und ein Destillierhaus errichtete. Eine enge Freundin und Schülerin der Gräfin war Kurfürstin Anna von Sachsen, die für die hohe Qualität ihres Aqua Vitae berühmt war. Sogar Kaiser Maximilian und seine Frau erhielten regelmäßig Aqua Vitae aus Annas Beständen. Die Alkoholmengen, die Anna produzierte, waren beachtlich: Sie besaß ein großes Destillierhaus mit vier Brennöfen. Und wie es scheint, umgab sich Anna bei der Arbeit im Brennhaus am liebsten mit anderen Frauen. 1576 schrieb sie an ihre Freundin: „Wir werden berichten, dass auf St. Annaberg etliche Weiber sein sollten, die mit Destillieren, Wein- und Wasserbrennen gut Bescheid wissen, sich auch zum Theil davon nähren sollen, derhalber begehren wir gnädigst, wenn du etwa ein fein arbeitsames Weib wüsstest, die eine Witwe und eines guten Namens und Wandels und mit solchen Destilliren und Wasserbrennen wüsste umzugehen, wolltest dieselbe uns zuweisen…“.
Die „Wasserbrennerinnen“
Wie es scheint, hatten Frauen damals wenige Berührungsängste, wenn es um die Produktion von hochprozentigen Wässerchen ging. Die Destillierkunst war eine angesehene Tätigkeit, die dem Bereich der Heilkunde zugerechnet wurde, und sie bot Frauen die Möglichkeit eines ehrbaren Broterwerbs. Als so genannte „Wasserbrennerinnen“ waren sie den Apothekern untergeordnet und arbeiteten diesen zu. Sie besorgten das arbeitsintensive Destillieren der medizinischen Wässer, die dann mit heilsamen Kräutern versetzt wurden. Nicht nur in Deutschland heizten damals die holden Damen ihren Brennblasen tüchtig ein. Auch in England war das Brennen von Aqua Vitae Frauen erlaubt: Zwischen 1617 und 1669 betrieben in London mehr als 60 Frauen ihre eigene Apotheke, wo sie auch hochprozentigen Alkohol zu medizinischen Zwecken brannten. Doch schon bald sollte sich das Bild nachhaltig verändern. In den folgenden Jahrhunderten wurden Frauen Schritt um Schritt aus dem Beruf der Wasserbrennerin verdrängt, ihre Fähigkeiten wurden angezweifelt, ihr Ruf geschädigt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Wasserbrennerinnen in Mitteleuropa weitgehend verschwunden, ihre Arbeit, die oft gut entlohnt war, wurde nun überwiegend von Männern erledigt. In Schottland hatte man die weiblichen Destillateure schon sehr viel früher aus dem öffentlichen Leben verbannt: 1506 gewährte der schottische König der Zunft der Barbiere das Monopol zur Herstellung von Aqua Vitae. Es mag auf den ersten Blick sehr lustig erscheinen, dass ausgerechnet die Barbiere die einzigen waren, denen in Edinburgh die Produktion von Alkohol gestattet war. Der Fairness halber sei an dieser Stelle aber erwähnt, dass auch die Ärzte zur Zunft der Barbiere gehörten – wer gesund sein will, sollte auch die Körperpflege nicht vernachlässigen. Für Frauen hatte dieses Monopol jedoch einen gravierenden Nachteil. Denn sie gehörten dieser Zunft nicht an. Sie durften nähen, sticken, und Hüte flechten, aber brennen durften sie nicht. Abgehalten vom Destillieren hat dieses Gesetz die Frauen in Edinburgh nicht, aber sie waren dadurch schon früh gezwungen, ihr Aqua Vitae illegal zu produzieren.
Helen Cumming, Kate Kearney und mehr…
Eine der berühmtesten Schwarzbrennerinnen ihrer Zeit war Helen Cumming aus Cardow. Die Geschichten sind legendär, wie sie die Steuereintreiber immer wieder narrte, die auf der Suche nach illegalen Brennblasen waren. In den schottischen Highlands existierte zwischen 1798 und 1816 kaum noch eine Brennerei, unsinnige Steuergesetze hatten die Whisky-Brenner in die Illegalität getrieben. Unter ihnen befanden sich auch viele Frauen. Wurden sie erwischt, mussten sie eine hohe Strafe zahlen. Schwarz gebrannter Whisky war damals in nahezu jedem Vorrats-Keller zu finden, und aus der Biographie der Lady Elizabeth Grant of Rothiemurchus wissen wir, dass es vor allem die Frauen waren, die durch sorgsame Kellerarbeit aus dem rauen New Make einen exzellenten Whisky machten. Dass die Dame des Hauses ihren Tag mit einem Dram begann, war durchaus keine Seltenheit. Whisky hielt Leib und Seele zusammen und war Nothelfer für viele Krankheiten. Noch heute gehört der „Hot Toddy“ zur medizinischen Grundausstattung eines schottischen Haushalts. Auch im benachbarten Irland wurde eine Frau für ihre illegalen Destillationskünste gerühmt: Kate Kearney aus Killarney. Mit ihrem Poitin, dem sie Geißenmilch und Kräuter beimischte, soll sie vor und während der Hungersnot in Irland viele Menschen vor dem Hungertod gerettet haben. Ob Kate Kearney tatsächlich existierte oder eher dem Bereich der Legendenbildung zuzurechnen ist, lässt sich heute nicht mehr klären. Belegt ist hingegen die Geschichte der Schwarzbrennerin Molly O’Gallivan, die auf ihrer Farm am Ring of Kerry in jener Zeit ihren „Mountain Dew“ an Touristen ausschenkte.
Frühe Leitungspositionen
Frauen traten im 18. und 19. Jahrhundert jedoch nicht nur als Schwarzbrennerinnen in Erscheinung, sondern auch als rechtmäßige Brennereibesitzerinnen. Schon zwischen 1790 und 1799 besaßen in den schottischen Lowlands mindestens vier Frauen eine Brennlizenz. Als 1823 das Steuergesetz reformiert wurde, begann auch in den schottischen Highlands und in Irland die große Zeit der Whisky-Brennereien. Cardhu, Blair Athol, Glenturret, Glenmorangie, Ardbeg, Port Dundas, Bankier, Dalmore, Bushmills, Tullamore und Killbeggan sind nur einige der Brennereien, die jahrelang von Frauen geleitet wurden. Ohne das Engagement der Frauen wäre die Geschichte dieser Brennereien anders verlaufen.
Die Temperance Bewegung
Doch es wäre zu kurz gegriffen, wenn wir Whisky nur als Lebensretter und Gesundheitswasser sehen würden. Im 18. und 19. Jahrhundert begann destillierter Alkohol zunehmend auch sein anderes, sein hässliches Gesicht zu zeigen. Als infolge der Industrialisierung und Urbanisierung der Alkoholkonsum drastisch anstieg, waren eine Zunahme von Alkoholabhängigkeit und soziale Verelendung oft die traurige Folge. Vor allem Frauen und Kinder hatten unter den negativen Seiten dieser Entwicklung zu leiden. „Lippen, die Schnaps berühren, werden unsere Lippen nicht berühren“ – so lautete ein Leitspruch der US-amerikanischen Alkohol-Gegnerinnen. Der Satz lässt nur erahnen, wie viel Leid und Kummer Frauen durch alkoholisierte Männer wohl erfahren mussten. Und noch etwas kam hinzu: Prostitution und Whiskyverkauf waren vor allem in den USA eine lustvolle Verbindung eingegangen. Das hatte Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung: „Anständige Frauen“ tranken keinen Whisky mehr. Angeregt von Vorreitern wie dem irischen Father Mathew, waren es vor allem Frauen, die im 19. Jahrhundert vehement für das Verbot von Alkohol kämpften. Großen politischen Einfluss hatte auch die „Women’s Temperance Union“, die 1874 gegründet wurde und rasch weltweit viele Anhänger fand. Unter dem erheblichen Druck der Temperance-Bewegung begann 1919 in den USA schließlich die Zeit der Alkohol-Prohibition, die bis 1933 andauerte. Whisky und Frauen sollten in den kommenden Jahrzehnten in einem schwierigen Beziehungsstatus verweilen. Auch nach dem Repeal Day kämpften die Anhängerinnen der Temperance-Bewegung gegen den Konsum von Spirituosen. Doch in diesem Punkt waren die Frauen ganz und gar nicht einer Meinung. 1944 schlossen sich die Gegnerinnen der Temperance-Bewegung zur „Women’s Association of Allied Beverage Industries“ zusammen, um die Interessen von Frauen, die in der Spirituosen-Industrie arbeiteten, besser vertreten zu können. Man einigte sich schließlich, dass Whisky-Werbung sich nicht an Frauen und Kinder richten sollte. Männer wurden nun die wichtigste Zielgruppe der Marketing-Abteilungen, und das sollte sich für mehr als ein halbes Jahrhundert nicht mehr ändern. Whisky war plötzlich ein Männerprodukt geworden, Whisky-Trinken wurde gleichgesetzt mit Männlichkeit. Whisky-trinkende Frauen hingegen waren ein Luder. Bis heute tun sich die Marketingabteilungen schwer damit, Whisky-Werbung angemessen auf Frauen auszurichten.
Männerprodukt Whisky
Nur wenigen Frauen gelang in den ersten Jahrzehnten nach dem Ende der Prohibition der Sprung in die höheren Positionen der Whisky-Produktion, wie etwa Bessie Williamson (Laphroaig) oder die Robertson-Schwestern (Edrington). Auch Margaret Nicol, die 1936 Managerin von Glenburgie wurde und die Brennerei bis 1958 leitete, blieb eine Ausnahmeerscheinung. Das Gros der Frauen, die in den Nachkriegsjahren in der Whisky-Industrie arbeitete, musste sich mit schlecht bezahlten Jobs an den Abfüllanlagen begnügen. Erst in den 1980er und 1990er Jahren begann sich das Bild wieder zu wandeln. Mit der Gründung des Scotch Whisky Research Institutes bei Edinburgh entdeckte man abseits von Cola und Eis auch die sensorische Seite des Whiskys. Als dort 1979 das Whisky-Aromarad entwickelt wurde, legte man den Grundstein für die moderne „Sensory Analysis“ und konzentrierte sich in den folgenden Jahren verstärkt auf die Aromaforschung. Diese Entwicklung brachte Frauen zurück in die Arena des schottischen Lebenswassers. Frauen wie Maureen Robinson und Rachel Barrie bewiesen großes Talent, wenn es um sensorische Wahrnehmung ging. Die studierten Chemikerinnen und Master Blender gehören zu den Pionieren der Aromaforschung und öffneten die Tür für weitere Frauen: Caroline Martin, Helen Mulholland und Stephanie McLeod stiegen innerhalb weniger Jahre ebenfalls zu Master Blendern auf. Nach der Jahrtausendwende gelangte mit Frauen wie Angela D’Orazio, Kirstie McCallum, Kirsten Campbell, Sarah Burgess, Emma Walker oder Gillian Macdonald die nächste Generation von bestens ausgebildeten Frauen in leitende Positionen auf dem Gebiet der Whisky-Sensorik.
Starke Whisky-Frauen
Das Jahr 2011 sollte ein weiterer Meilenstein werden. Peggy Noe Stevens, ehemals Master Taster bei Brown-Forman und Cousine von Jim Beam-Erbe Fred Noe, gründete in diesem Jahr den ersten amerikanischen Whisky-Club für Frauen und feierte den Event mit einer rauschenden Party im Amtssitz des Gouverneurs von Kentucky. Ihr Club „Bourbon Women“ vereinigte Frauen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Whisky-Industrie, und zur offiziellen Gründungsparty waren Politiker, Führungskräfte der Whisky-Industrie und Journalisten geladen. Peggy Noe gelang es in kürzester Zeit, ein einzigartiges Netzwerk für Whisky-Frauen aufzubauen. Plötzlich wurden Frauen in der Whisky-Welt bewusst wahrgenommen. Der Stein, den Peggy an diesem Abend anstieß, sollte schon bald zu einer Lawine werden. Frauen schlossen sich in vielen Ländern zu Gruppen zusammen, und über die neu entstandenen sozialen Netzwerke waren sie auf vielfältige Weise untereinander verbunden. Whisky-Bloggerinnen wie Miss Whisky, Whisky Girl, The Whisky Lady, Whisky Lassie und auch ich (whiskyundfrauen) wurden zum Sprachrohr für die Belange der weiblichen Whisky-Welt. In Kanada gründete Whiskybloggerin Johanne McInnis die Gruppe „Whiskey Women of the World“, in Deutschland hoben Petra Milde, Julia Nourney und ich die internationale Facebook-Gruppe „Sharing Angels“ aus der Taufe, in New York gründete Julia Ritz Toffoli die Gruppe der „Women Who Whiskey“. Wir alle waren untereinander eng vernetzt und haben mit großem Eifer die vielen Frauen, die es bereits in der Whisky-Branche gab, aus ihrer Randposition ins Scheinwerferlicht gezerrt. Die Dynamik, die in dieser Zeit entstand, war unglaublich. Es schien, als sei die Botschaft in alle Bereiche der Whisky-Industrie hineingesickert. Diageo unternahm mit Hilfe seines vorzüglichen Gender and Diversity Programs große Anstrengungen, Frauen in Führungspositionen zu bringen. Pernod Ricard legte in Irland ein neues Graduierten-Programm für Destillateure und Markenbotschafter auf, das vor allem weiblichen Bewerbern zu Gute kam. Innerhalb weniger Jahre eroberten Frauen die Whisky-Industrie im Sturm. Auch der „Whisky-Botschafter“ ließ sich anstecken von dem neuen Schwung und etablierte die Rubrik „Whisky und Frauen“. In unzähligen der neu gegründeten Brennereien in Schottland, Irland und den USA stehen mittlerweile junge Frauen an der Brennblase oder behaupten sich als Managerin und Firmenchefin. Auch auf Konsumenten-Seite hat sich vieles verändert. In den vergangenen fünf Jahren konnte man auf den zahlreichen Whiskymessen immer häufiger auch Frauen entdecken. Das Image der whiskyinteressierten Frauen hat sich gewandelt. Heute muss keine Frau mehr fürchten, dass sie in einer Bar schief angeschaut wird, nur weil sie einen Whisky bestellt. Und das ist gut so.